Tapisserieausstellung KASURI von Jun Tomita

Tapisserieausstellung KASURI von Jun Tomita

von kyoto nach feldkirch, österreich

Johanniterkirche-Ausstellung: KASURI von Jun Tomita

Während meines Japan-Rechercheaufenthalts (2 Monate: Kyoto, Shizuoka, Okinawa, Nagoya und Tokyo), direkt nach dem Abschluss des Textildesign-Studiums im Sommer 2016, lernte ich den Meisterweber Jun Tomita kennen. Ich konnte ihn als Keynote-Speaker und Kursleiter an die European Textile Network (ETN) Konferenz in Boras, Schweden, im September 2017 vermitteln. Auch begleitete ich ihn zur Johanniterkirche im September 2017, die als herausfordernden Raum für seine Textilkunst dienen würde. Bald kündigte Herr Tomita sein Interesse der Mitwirkung im Jahr 2018, zum 800-Jahre-Stadterhebung Feldkirch, an. Die 7 Tapisserien sind für die Johanniterkirche konzipiert und von ihm hergestellt.

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

spuren der zeit

Dieser Text erschien in der Ausstellungsbroschüre der Johanniterkirche im Herbst 2018:

In der für ihre Schönheit bekannten Region Saga, tausende Kilometer von Feldkirch entfernt, arbeitete Jun Tomita monatelang in der Farbküche und am Webstuhl an seinen Teppichen für die Johanniterkirche. Hier hängen sie nun, ja schweben viel mehr, als wären sie immer schon da gewesen. Dem Ausstellungsort in Österreich und dem Atelier des Textilkünstlers in Japan ist eines gemeinsam: Die Stille einer Atmosphäre jenseits der Hektik unserer Zeit.

Jun Tomita lebt gemeinsam mit seiner Partnerin, der Kunsthandweberin Mayo Horinouchi, in einem 100-Seelen-Dorf nordwestlich der Millionenstadt Kyoto. Im Sommer verirren sich Schmetterlinge in das Atelier der beiden Weber in einem ehemaligen Gewächshaus. Im Winter spürt man die Kälte in den Knochen, nur einige Stunden effektives Arbeiten ist möglich.

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

farbauftragung in kasuri-technik vor dem weben

Ein Jahr vor seiner Ausstellung besuchte Jun Tomita erstmals die Johanniterkirche. Aus der asiatischen Kulturregion stammend, trat er in eine historische europäische Kirche ein und spürte einen Raum, der eine ihm fremde Kultur und Weltanschauung zum Ausdruck brachte.

Die Spuren der 800-jährigen Geschichte waren für ihn Faszination und Inspiration zugleich: „kirchen oder Tempel regen mich auf sehr unterschiedliche Weise an. Ich bin immer interessiert an den Wänden von Gebäuden. Ich kann stundenlang vor einer Mauer sitzen oder stehen und sie betrachten. Die Wände der Johanniterkirche beinhalten für mich sehr viele Dinge und sie sagen mir viel. Ich spüre die Menschen der Vergangenheit und wie die Zeit buchstäblich durch die Wände ging. Das hat sehr viel Tiefe.“

Berührt und angespornt vom Zauber dieser Spuren machte sich Jun Tomita an die Arbeit. Für die Teppiche in der Johanniterkirche verwendete er ausschließlich Naturmaterialien, Leinen für die Kette und Ramie und Seide für die Schussfäden. Seine minimalistisch anmutende Webkunst basiert auf der traditionellen, in Okinawa im Süden Japans praktizierten Kasuri-Technik. dabei wird das Garn vor dem Weben an bestimmten Stellen abgebunden, sodass beim Färben der Farbstoff nicht eindringen kann. Beim Weben müssen die Fäden dann exakt in der richtigen Reihenfolge verarbeitet werden.

Jun Tomita formuliert seinen künstlerischen Entwurf lange bevor das Kettgarn in seinem selbstgebauten Webstuhl aufgebäumt ist. Eine Idee wird mit Farbstiften als Skizze festgehalten, dann kommt das komplizierte Färben der Fäden. „Ich verwende unzählige Farben. Mit dem Färben verbringe ich viel mehr Zeit als mit dem Weben. Das ist der einfachere Teil.“

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

foto: patricia keckeis

kulturverständigung im textilen

Den poetischen Meisterwerken sieht man diese monatelange Anstrengung nicht an. Zuerst fallen die roten Kreationen ins Auge. Das von weitem flächig wirkende Schwarz der Teppiche im Altarraum funkelt von der Nähe betrachtet in unzähligen Farben.

Jun Tomita nimmt sich selbst als Handwerker wahr. Immer wollte er etwas mit den Händen machen. Dass er in Kontakt mit einem Webstuhl kam, war eher Zufall. „Genauso gut hätte ich Koch, Gärtner oder Tischler werden können“, sagt er. Die von ihm entwickelte Ästhetik und seine eigenständige Technik machen ihn jedoch nicht nur in den Augen seiner Landsleute zum Künstler.

Das Gespür und die Hochachtung für das Textile sind auch in Vorarlberg besonders gut verankert. Für seine Installation in der vom textilen Erbe geprägten Region hat Jun Tomita nur einen Wunsch: „ich möchte, dass die Leute Zeit verbringen vor meinen Werken. Nur ein paar intensive Minuten des konzentrierten Schauens, um sich selbst zu sehen.“

Nanna Aspholm-Flik und Karin Guldenschuh

zum künstler

Jun Tomita (geb. 1951), lebt und arbeitet in einem kleinen Dorf außerhalb von Kyoto. Die Kasuri-Färbetechnik erlernte er u.a. auf Japans südlichster Insel Okinawa. Die europäischen Methoden des Webens eignete er sich am West Surrey College of Arts and Design in England an. Als Werkassistent war er beim berühmtem Weber Peter Collingwood tätig. Jun Tomitas Webkunst ist in den wichtigsten Textilsammlungen der Welt vertreten. Seine Arbeiten wurden in bedeutenden Gemeinschaftsausstellugn zur japanischen Kunst u.a. in folgenden Museen präsentiert: Museum of Modern Art, New York, Victoria & Albert Museum, Lodon und Stedelijk Museum, Amsterdam.

zur johanniterkirche

Der ursprüngliche Bau wurde 1218 vom Grafen Hugo von Montfort für die bis 1610 bestehende Kommende des Johanniterordens errichtet. Nach dem Verkauf an das Kloster Weingarten erfolgten 1660 Umbauten unter dem Prior und bekannten Historiker Pater Gabriel Bucelin. 1695 wurde die Kirche an das Kloster ottobeuren übergeben.

Nach der Sekularisierung 1802/03 wurde sie von 1806 bis 1809 zum Salzmagazin degradiert und diente von 1809 bis 1969 als Gymnasialkirche. Der Turm erhielt bei Renovierungen von 1879 bis 1884 seine heutige Form. Am Dachgiebel befindet sich eine Ritterfigur, "Bläsi" genannt, die seit 1510 mit Hammerschlägen auf eine Glocke die Uhrzeit angibt. Ein Fresko von Florus Scheel an der Giebelfassade aus dem Jahre 1927 stellt die Predigt des Hl. Johannes des Täufers dar.

Von 1982 bis 1989 fanden im Inneren der Kirche archäologische Grabungen und Bauuntersuchungen seitens des Bundesdenkmalamtes statt. Seit 1995 dient die Kirche als Ausstellungsraum für Installationen zeitgenössischer Kunst.